Psychische Gesundheit ist ein Kinderrecht

Anlässlich des Welttags der psychischen Gesundheit am 10.10.2019 ruft die Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien alle EntscheidungsträgerInnen auf, der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung in der Stadt Priorität einzuräumen.

Depressionen, Essstörungen, selbstverletzendes Verhalten, Angststörungen oder Suizidgedanken: Immer mehr Kinder und Jugendliche leiden an psychischen Erkrankungen. Hier kompetent und schnell helfen zu können, ist das Um und Auf in der Sicherung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Doch im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie besteht in der Stadt allerorts ein erschreckender Mangel – an diagnostischen und therapeutischen Angeboten, an Betten und an Kassenverträgen.

Zu langsam zu handeln bedeutet Kinderrechte zu verletzen

„Wir nehmen hier Kinderleid in Kauf“, bringt es Kinder- und Jugendanwältin Dunja Gharwal auf den Punkt. Denn mangelhafte Versorgung bedeutet, dass leichte Erkrankungen zu schweren Erkrankungen werden und innerhalb von Wochen heilbare Krankheiten zu chronischen Krankheitsverläufen werden. „Es kann nicht sein, dass wir psychisch kranke Kinder und Jugendliche dermaßen im Stich lassen.“, so Dunja Gharwal. „Wartezeiten von bis zu 2 Jahren auf eine Rehabilitationsmaßnahme sind kinderrechtlich hoch problematisch.“ Letztlich wird der Versorgungsmangel noch größer, weil sich die Dauer der Behandlungen erhöht und so die knappen Ressourcen erst recht nicht ausreichen.

„Das Recht auf Zugang zu angemessenen Gesundheitsdiensten nach Artikel 24 der UN-Kinderrechtskonvention ist hier massiv in Gefahr“, warnt Kinder- und Jugendanwalt Ercan Nik Nafs. Deshalb fordern die Kinder- und JugendanwältInnen die zuständigen EntscheidungsträgerInnen zum Welttag der psychischen Gesundheit auf, hier dringend tätig zu werden.

Wachsendes Bewusstsein, aber auch wachsende Probleme

„Ein Schul- und Ausbildungssystem, das auf soziale Selektion ausgelegt ist, Armutsgefährdung der Eltern und beengter Wohnraum üben enormen Druck aus“, stellen die Kinder- und JugendanwältInnen Dunja Gharwal und Ercan Nik Nafs fest. Hinzu kommt, dass sozialer Stress und Erholungsmangel durch die permanente Verfügbarkeit elektronischer Spielgeräte oder Sozialer Medien zunehmen. Die Folge ist ein Anstieg psychischer Erkrankungen von Jugendlichen. Für Österreich wird davon ausgegangen, dass 20% der Kinder und Jugendlichen durch psychische Probleme belastet sind.

Während auf der einen Seite das Bewusstsein der betroffenen Familien steigt und diese aktiv Hilfe suchen, ist auf der anderen Seite das diagnostische und therapeutische Angebot für psychisch kranke Kinder nicht ausreichend vorhanden. Es gibt in Wien zu wenige Behandlungsplätze in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Die Wartezeiten für Therapien, wie Psycho- oder Ergotherapien sind oftmals nicht zumutbar. Und der Mangel an Kassenverträgen für Kinder- und Jugendpsychiatrie verschärft die Lage zusätzlich.

In der KJA melden sich verzweifelte Eltern und geforderte SozialpädagogInnen aus Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe: Sie berichten, dass Kinder und Jugendliche, die dringend eine Behandlung benötigen, wieder weggeschickt oder auf lange Wartelisten gesetzt werden. Immer wieder werden Minderjährige mangels Bettenkapazitäten auf Erwachsenenstationen untergebracht, wodurch das Gewalt- und Gefährdungspotenzial steigt.

Die KJA ruft auf: Jetzt gemeinsam handeln!

Gesundheitsministerium, Stadt Wien, Gebietskrankenkassen und Ärztekammern sind gefordert, die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen an erste Stelle zu setzen. „Es braucht endlich eine gemeinsame Anstrengung und auch Kompromissbereitschaft, um die Kinderrechtsverletzungen an Kindern und Jugendlichen mit psychischen Problemen zu beenden.“, so die Kinder- und JugendanwältInnen unisono. Zur Abdeckung des großen und weiter steigenden Bedarfs sind neben der Aufstockung der Kassenverträge, kostenfreier Therapien sowie der Bettenkapazität auch ausreichend Ausbildungsplätze für FachärztInnen der Kinder- und Jugendpsychiatrie notwendig. „Österreich hat sich vor dreißig Jahren bei der Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention dazu verpflichtet, jedem Kind das Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit zu gewährleisten. Im Bereich der psychischen Gesundheit müssen jetzt Taten folgen!“